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Corona und Patientenverfügung

Fragwürdige Werbeaktivitäten

Die Presse, Scharen von Anwälten und alle möglichen Dienstleister – leider auch Finanzdienstleister – verbreiten in diesen Tagen Meldungen wie „Patientenverfügung wegen Corona prüfen“, „Überprüfung der Patientenverfügung auf Covid-19“, und selbst Kanzleramtsminister Prof. Helge Braun stellt im Zusammenhang mit Covd-19 die Wichtigkeit der Patientenverfügung heraus.

Meldungen, wie sie ein Generationenberater versendet „Damit (mit der Zusatzerklärung) stellst Du sicher, im Falle einer Corona-Erkrankung und zu wenig Kapazitäten in der Klinik, dass Du so behandelt wirst, wie Du es willst.“, entbehren jeglicher rechtlicher Grundlage.

Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät: „Wer eine Patientenverfügung verfasst hat, sollte das Dokument diesbezüglich nochmal aufmerksam durchlesen“ Wolter wird gefragt ob Betroffene ihre Patientenverfügung bezüglich einer künstlichen Beatmung im Covid-19-Fall anpassen sollten.
Zitat Wolter: „Hierbei besteht die Chance, dass Patienten wieder gesund werden und die Krankheit nicht tödlich verläuft. Wer dennoch auf keinen Fall künstlich beatmet werden will, sollte dies ebenfalls explizit in die Verfügung hineinschreiben. Lehnt jemand zwar grundsätzlich eine künstliche Beatmung ab, will aber bei Covid-19, dass die Mediziner alles Erdenkliche tun, sollte er dies konkret so schreiben. So lassen sich Missverständnisse vermeiden“.

Klarheit vom Palliativmediziner

Die Stellungnahme eines Palliativmediziner klingt da ganz anders und bringt es auf den Punkt: „Bei einer Covid-19-Erkrankung handelt es sich um eine Akuterkrankung mit offenem Ausgang, für die die Patientenverfügung gar nicht gelten soll. Maßgeblich für uns Mediziner ist, das am Anfang einer Behandlung und bei einer eventuellen später beginnenden (indizierten) Beatmung prinzipiell die Chance auf Heilung bestehen muß.“ Kein Betroffner muss sich Sorgen machen, dass diese Maximaltherapie wegen einer Standard-Patientenverfügung unterbleibt.“

Fragwürdige Werbeaktivitäten und Angst sind keine guten Berater

Warum sind diese fragwürdigen Werbeaktivtäten und Angst im Fall von Covid-19-Patienten gar nicht nötig? Weil die Patienten noch mit den Medizinern kommunizieren können, wenn sie ins Krankenhaus eingewiesen werden. Wie in jedem anderen Arzt-Patienten-Gespräch werden auch bei einer Covid-19-Erkrankung die Möglichkeiten und Risiken der Heilbehandlung besprochen.

Jeder der obengenannten Dienstleister sollte wissen wann eine Patientenverfügung gilt, nämlich „Für den Fall, dass ich meinen Willen nicht mehr bilden oder verständlich äußern kann.“ Für den Fall dass der Betroffene nicht mehr mit den Ärzten kommunizieren kann, treten dann die Regelungen der Patientenverfügung in Kraft, sprich, der Bevollmächtigte hat die Rechte des Vollmachtbegebers durchzusetzen.

Der oben genannte Aktionismus ist vollkommen übertrieben, sodass es ein namhafter Medizinrechtsanwalt auf den Punkt bringt: „Hier werden Ängste geschürt, um die Praxis voll zu bekommen oder neue Klienten zu werben. Diese Vorgehensweise halten meine Kollegen und ich für unseriös.“

Ist das Therapieziel erreichbar?

In Deutschland wird laut Beatmungsspezialist Martin Bachmann, …“die Intensivtherapie in der Mehrzahl der Fälle nicht bis zum Eintritt des Tod fortgesetzt, sondern beendet, wenn es nicht länger sinnvoll erscheint. Wir sind es gewohnt, solche Entscheidungen zu treffen.“ (Spiegel Nr.15/4.4.2020)
Bei diesen Entscheidungen steht immer eine Frage im Raum: Ist das, mit dem Covid-19-Patienten, vereinbarte Therapieziel noch erreichbar?

Kommen die Intensivmediziner, Pfleger und Krankenhausethiker zu dem Ergebnis, dass das Therapieziel nicht mehr erreichbar ist bzw. keine Heilungsaussicht besteht, wird in Abstimmung mit der oder den Bevollmächtigten das Therapieziel geändert. „Auch ein sanfter Tod darf als Ziel gelten“ sagt der Mediziner Ertunc Altiok.

Doppelt abgesichert durch zusätzliche Erklärung

Für wen eine zusätzliche Erklärung beruhigend wirkt, kann selbstverständlich eine Erklärung abgeben, in der er z.B. verbietet bei einer Covid-19- oder ähnlichen Erkrankung auf jegliche künstliche Beatmung zu verzichten. Hinzu kann der Wunsch kommen, in der Situation palliativ behandelt und begleitet zu werden um an der Erkrankung versterben zu können, was schon heute Bestandteil seriöser Patientenverfügungen ist. Zuletzt kann der Aussteller erklären, dass er mit dieser Entscheidung auf die Eventualität einer Verbesserung der Gesundheit verzichtet.

Fazit:
1. Wenn ein Covid-19-Patient künstlich beatmet werden, und alle medizinisch erdenklichen Maßnahmen ausreizen will, der wird selbstverständlich, unter der Voraussetzung das die Maßnahmen indiziert sind, diese Maßnahmen erhalten.
2. Wer eine der unten aufgeführten Patientenverfügung erstellt hat, bei dem ist eine Zusatzerklärung unnötig, weil der Patient bei der Covid-19-Erkrankung noch mit den Medizinern reden kann, und die Patientenverfügung nicht zum Tragen kommt.
3. Hektik und Angst waren noch nie gute Berater. Wer eine Patientenverfügung z.B. nach Vorlage des Bayerisches Staatsministerium der Justiz erstellt hat, ist für diese Situationen bestens abgesichert.
4. Ein hörenswerter Medizin-Podcast zum Thema „Welches Kriterium bei einer COVID-19-Triage für Ärzte entscheidend wäre“, gibt Einblick in die Entscheidungen und Kommunikation mit betroffenen Patienten.

Empfehlung für Finanzdienstleister:
Wer als Finanzdienstleister seinen Kunden teure Verfügungen und Vollmachten verkauft hat, dem wird spätestens jetzt klar geworden sein, welche Güte an Verfügung er verkauft hat, wenn unnötige Zusatzvereinbarungen notwendig sind um den Kunden gut abzusichern.

Da Finanzdienstleister ihre Kunden in diesem Bereich nur informieren und nach geltendem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht beraten dürfen, (siehe Urteil AG Northeim) können sie ihre Kunden zum Beispiel vom kostenlosen Download der rechtlich einwandfreien Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht des „Bayerisches Staatsministerium der Justiz“ informieren. Das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz stellt eine kostenlose Auswahl von Textbausteinen zur Verfügung. Weitere rechtssichere, und für den Kunden kostengünstige, Vordrucke bietet der Buchhandel mit den Publikationen des C.H.-Beck-Verlag, die Verbraucherzentrale, die Stiftung Warentest oder Brain!Active UnternehmerBeratung (schon ab 0,99 €) an.

Fachlich gute und kostenlose Beratungen finden Kunden z.B. bei Betreuungsvereinen, sozialen Trägern vor Ort wie z.B. der Caritas, Diakonie, Malteser, in den östlichen Bundesländern z.B. bei der Volkssolidarität und vielen mehr. Wer diese Tipps an seine Kunden weitergibt wird bei seinen Kunden punkten.