Von der Wiege bis zur Bahre

Lebenslange Kundenbetreuung

Die Werbebotschaften der meisten Banken und Finanzdienstleister suggerieren im Außenauftritt eine lebenslange Begleitung durch alle Lebensphasen des Kunden. Tritt jedoch beim Kunden eine schwere Krankheit oder ein Todesfall auf, zeigt sich, wer es ernst mit seinen Kunden meint. Oft entpuppen sich die Versprechungen als heiße Luft und der Kunden- und Umsatzverlust droht.

„Meinen Banker habe ich schon seit acht Jahren nicht mehr gesehen“, sagt der krebskranke 86-jährige vermögende und alleinlebende Mann.

„Ich kann mich nicht erinnern, wann mein Makler sich zuletzt bei mir gemeldet hat“, sagt die schlaganfallgeschädigte 53-jährige Frau, die mit ihren drei Kindern (13, 15, 19) in einem großen eigenen Haus lebt.

„Nach dem Tod meines Mannes kam von Seiten der Versicherung kein Wort der Anteilnahme, was mich sehr enttäuscht hat.“ sagt die 69-jährige Witwe, die ihren Mann jahrelang gepflegt hat.

Drei reale Fälle, drei Schicksale, drei enttäuschte Familienverbünde, und eine Bank, ein Finanzdienstleister und eine Versicherung die ihre Werbebotschaft nicht mit Leben gefüllt haben, genau in der Situation wo die Kunden sie gebraucht hätten. Sie stehen stellvertretend für die vielen Finanzdienstleiter die sich nicht auf den Fall der Fälle vorbereitet haben, obwohl sie ihren Kunden Lösungen z.B. im Bereich Biometrie, Todesfallabsicherung und mehr anbieten.

Kunden zwischen Trauer und Enttäuschung

An den drei realen Fällen ist gut zu sehen, was aus Versprechen von Finanzdienstleistern wird, und jeder Kunde der diese Situation schon einmal erlebt hat wird davon ein Lied singen können. Die Enttäuschung bei den Kunden ist sehr groß, auch die menschliche Enttäuschung weil sie sich auf die Aussagen der Bank und ihre Berater verlassen haben.

Schriftliche und mündliche Kommunikation

„Gerade waren Angehörige bei mir, die sich bitterlich über die Bank beschwert haben, bei der sie seit 50 Jahren Kunden sind. Verkehrter Ton – kein Einfühlungsvermögen. Die Angehörigen werden die Bank wechseln,“ sagt eine Bestatterin nach dem Kundengespräch. Was ist passiert?

Der 72-jährige Bankkunde ist verstorben, und Ehefrau plus der beiden erwachsenen Kinder gehen 36 Stunden nach dem Tod des Erblassers zur Bank, bei der sie seit 50 Jahren Kunden sind. Begrüßt werden sie mit folgenden Worten: „Herzliches Beileid, ich brauche den Erbschein und die Sterbeurkunde.“

Das war alles was dem Banker, der die Familie seit über 20 Jahren betreut hat, eingefallen ist um seine Anteilnahme aus zudrücken.

Die oben angesprochenen Kundenreaktionen auf den verkehrten Ton und das fehlende Einfühlungsvermögen sind nicht verwunderlich wenn der Berater so unangemessen reagiert, und nicht auf die Bedürfnisse der trauernden Angehörigen eingeht.

Bereits 36 Stunden nach dem Tod des Erblassers, der noch nicht beerdigt ist (!), ist klar, dass die gesamten Depot- und Spareinlagen spätestens in einem halben Jahr nicht mehr bei dieser Bank liegen. 50 Jahre Kundenbeziehung (im ländlichen Bereich, wo sich jeder kennt) werden in 5 Sekunden dem Erdboden gleich gemacht. Neben dem Kundenverlust, kommen der wirtschaftliche Verlust und der Imageschaden der Bank noch obendrauf.

Schwäche zeigen bedeutet Ehrlichkeit und Stärke

Wenn Beraterinnen und Berater darauf angesprochen werden, kommt oft die Aussage: „Ich weiß in der Situation gar nicht was ich dazu sagen soll!“

In diesem Satz spiegelt sich die gesamte Unsicherheit wider, die völlig normal ist und jedem Menschen in der Situation widerfahren kann. Jeder kennt Situationen wenn er die Nachricht bekommt, das ein Kunde schwer erkrankt, schwer verunglückt oder sogar gestorben ist, und einem im ersten Moment die Worte fehlen.

Jeder kennt die Situation von Unbehagen auf die Betroffenen wie auch Angehörigen zuzugehen und das ohne Vorurteile, was elementar ist. Selbstverständlich kann jeder seine Unsicherheit und Betroffenheit zum Ausdruck bringen und den Betroffenen sagen: „Ich weiß gar nicht was ich zu Ihrer Situation sagen soll.“

Betroffene und ihre Familien ist es in der Situation wichtig, dass jemand für sie da ist, so wie es das Unternehmen versprochen hat. Das Dasein ist das allerwichtigste und oft ist es so das nicht viel gesprochen werden muss. Die größte Aufgabe für Beraterin und Berater liegt darin die Ruhe und das Schweigen auszuhalten, was nicht einfach ist. Wir sind es nicht gewohnt lange zu schweigen und mit der Ruhe umzugehen, was sich dann in einem Unwohlsein ausdrückt, und die Betroffenen spüren.

Kunden und Angehörige die einmal erlebt haben, dass ihr Bankberater, ihr Finanzberater in der Situation bei ihnen war, den Kontakt gehalten hat, zu ihnen nach Hause gekommen ist, sie vielleicht vorher in die Reha besucht hat, oder an der Beerdigung teilgenommen hat, haben ein ganz anderes Verhältnis zu ihren Beraterinnen und Beratern.

Geschäftliche Kondolenz ohne Fettnäpfchen

Die Unsicherheit die sich in der persönlichen Kommunikation widerspiegelt erleben wir auch bei der schriftlichen Kommunikation. Ist ein Kunde verstorben darf die Familie ein Kondolenzschreiben von der Bank, vom Finanzdienstleister erwarten. Weil das selten geschieht, ist die Überraschung bei der trauernden Angehörigen um so größer.

Kunden erleben in dem Bereich das oft auf gängige günstige Trauerkarten, mit irgendwelchen Trauersprüchen zurückgegriffen wird, oder vorgefertigte Standardbriefe aufgesetzt werden, wovor deutlich zu warnen ist. Warnung warum? Die gängigen Trauerkarten sind nur Standard und Massenware, und 72 Prozent der christlichen und weltlichen Trauersprüche werden von den Familien als unpassend angesehen.

Es empfiehlt sich für Banken und Finanzdienstleister, die einen Kundenstamm haben, der zu 30 bis 40 Prozent aus Kunden über 60 Jahre alt sind, sehr gute hochwertige Kondolenzkarten, frei von langen Texten, bereit zu halten. Eine jahrelange Kundenbeziehung findet ihr Ende dann auch in einer sehr gutgeschriebenen Kondolenzkarte oder Kondolenzbrief. Es gilt einen klaren Aufbau einzuhalten, weil von der Ansprache bis zum Abschiedsgruß gewisse Punkte in einer geschäftlichen Kondolenz einzuhalten sind. Wer sich an so ein Gerüst hält wird von seinen Kunden beziehungsweise den trauernden Angehörigen wohlwollend empfangen.

Wer schreibt die Kondolenz?

„Bei uns wird das alles zentral geschrieben!“, „Keine Ahnung, irgendwas wird schon rausgehen.“ und „Meine Assistentin schreibt die Kondolenz“, sind drei Aussagen von Bankberatern, die den Organisationgrad gut spiegeln. Wenn es eine Empfehlung gibt dann die: Die Kondolenz wird von der Person geschrieben, die den Kunden am nächsten kannte, und die den meisten Kontakt mit dem Kunden hatte.

Persönliche Überbringung der Anteilnahme

Ein stilvolles, angemessenes Auftreten und eine entsprechende Kommunikation braucht es auch bei der Beerdigung, auch weil es dort eventuell den ersten Kontakt mit den möglichen Erben gibt. In diesen Situationen entscheiden sich elementare Dinge: Sozialkompetenz ja oder nein, enge Kundenbindung, Empathie, hohes Maß an Vertrauen und Zugewandtheit. Das Geschäftliche hat in dieser Situation den Hintergrund zu treten.

Herbert S. lernt die Erben, der sehr vermögenden Kundin, erst auf der Trauerfeier kennen. Beim „Leichenschmaus“ fragt der Bruder in welcher Beziehung Herbert S. zu seiner verstorbenen Schwester stand. Herbert S. antwortet: „Ich war ihr Banker“. Der Bruder antwortet: „Dann waren Sie es, der meine Schwester vor vier Monanten in der Reha besucht hat. Davon hat sie uns allen erzählt. “

Ein paar Wochen später, während der erbrechtlichen Abwicklung sagt der Bruder beim Beratungsgespräch: „Sie wissen dass meine Schwester noch Kundin bei zwei Großbanken war? Sie waren jedoch der einzigste Banker, der zur Trauerfeier gekommen ist. Darüber haben sich meine Familie und ich sehr gefreut, dass Sie meiner Schwester die letzte Ehre erwiesen haben. Deshalb werden wir die beiden Depots zu ihnen überführen, wenn das für sie in Ordnung ist.“

In dem Fall wurden Depots im Wert von 1,2 Millionen Euro an die Bank überwiesen, weil der der Banker in der Phase die richtigen Worte gefunden hat, sich die zwei Stunden für die Beerdigung genommen hat und in den Beratungsgesprächen das Menschliche im Vordergrund stand.

An diesem real stattgefundenen Beispiele zeigt sich, was es heißt die Werbebotschaft des eigenen Unternehmens ernst zu nehmen und umzusetzen. Wie immer im Leben sind es die vermeintlich kleinen Dinge, die wichtig sind, und meistens zur Stärkung der Kundenbindung führen.

Warum sollten sich Banker mit dem existenziellen Krisen des Kunden beschäftigen?

Obwohl jedes Jahr durchschnittlich 850.000 Menschen in Deutschland versterben, wird das Thema Krankheit, Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft oftmals tabuisiert. Die Erfahrung von Krankheit und Tod kann für viele Angehörige eine starke emotionale Erfahrung und Belastung sein, die es gilt in der Beratung zu berücksichtigen und seine Gesprächsführung darauf auszurichten.

Beraterinnen und Berater sollten sich klar sein, dass sie in der Situation der Fels in der Brandung sind, empathisches Vorgehen sehr wichtig ist, und der Familie alle notwendige Hilfe geben sollten. Letztendlich sollten Beraterin und Berater so Vorgehen wie sie sich auch wünschen würden wenn sie in dieser Situation wären.

Jeder Mensch trauert anders

Im Allgemeinen sprechen wir von vier Trauerphasen die der Trauernde durchläuft. [1]

  • Phase 1 Nicht-Wahrhaben-Wollen
  • Phase 2 Aufbrechende Gefühle
  • Phase 3 Suchen, finden, sich trennen
  • Phase 4 Neuer Selbst- und Weltbezug

Sehr oft kommen die Angehörigen in den ersten beiden Phasen auf die Banker und Finanzdienstleister zu. Jeder Berater sollte wissen und erkennen in welchem emotionalen Stress sich die trauernden Angehörigen befinden können, um angemessen reagieren zu können.

Keine fachliche Betreuung ohne emotionale Verbindung

Trauernde Angehörige sind hoch emotionalisierte Menschen, die zumindest zeitweise über ganz feine Gefühlsantennen verfügen. Sie spüren instinktiv, wenn ihnen an Stelle echter Einfühlung nur ein Mitgefühl vorgegaukelt wird. Kleine, pietätsfremde Fehltritte und kommunikative Unstimmigkeiten können problemlos gut verlaufende Beratungen torpedieren. [3]

Von der Beratung zur Begleitung

Wer als Berater in seinem Leben noch nicht mit schwerer Krankheit oder Tod konfrontiert war, sollte versuchen, sich in diesen schwersten aller menschlichen Augenblicke hinein zu fühlen. In der Auseinandersetzung mit dem Verlust eines Menschen liegt ein doppelter Gewinn: Man selbst wird hellsichtiger für seine eigene Existenz und verändert sein Wertesystem von der Quantität zur Qualität der Lebensinhalte. Für den Banker gilt es, den Spagat zwischen Berater und Begleiter professionell zu gestalten. Neben der Beachtung der Etikette gilt es, die Aspekte der verbalen und nonverbalen Kommunikation ganz besonders zu berücksichtigen. Die selbstverständlichsten Fragen sind oft nicht einfach zu beantworten:

Die neu gewonnene Empathie steht im sozialen Umgang nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Umfeld zur Verfügung.

Abwicklungstechnische oder finanzielle Fragen sind die eine Seite der Herausforderung. Der persönliche Kontakt mit trauernden Angehörigen ist die andere Seite und gilt in dem Fall als die größte Herausforderung für den Banker. Empathie[2], wertschätzende Kommunikation und Authentizität sind der Schlüssel um das Vertrauen der Angehörigen zu gewinnen. Die Antwort der trauernden Angehörigen? Dank und Loyalität.

Wie gehe ich am besten auf einen trauernden Angehörigen zu?

Wie kondoliere ich richtig?

Wie viel Anteilnahme ist in einem Bankgespräch angebracht, ohne gefühlskalt oder überheblich zu wirken?

Wie spricht man mit einem Menschen der einen geliebten Menschen verloren hat?

Kommunikativer Drahtseilakt und praktische Vorgehensweise

Gelingt es Berater für den Umgang mit trauernden Angehörigen zu sensibilisieren, ist ein riesiger Schritt getan, um Mittelabflüsse zu verringern, langfristig die Erträge zu sichern und die Angehörigen als Kunden zu binden.

6 Schritte zum erfolgreichen Umgang mit kranken Kunden und trauernden Angehörigen

Schritt 1: Altersstrukturanalyse im Kundenstamm durchführen

Schritt 2: Vermögenszuordnung nach Altersgruppen

Schritt 3: Marketing und Produktauswahl auf das jeweilige Kundensegment abstimmen

Schritt 4: Ausreichend ältere Berater zu Generationenberater ausbilden

Schritt 5: Berater fit für den Umgang mit trauernden Angehörigen machen

Schritt 6: Strukturen und Abläufe für die erbrechtliche Abwicklung zu schaffen

Die Kommunikation mit Trauernden ist ein Drahtseilakt – und einer, den man lernen kann. Nein: Lernen muss, wenn man Mittelabflüsse stoppen und langfristig als Bank oder Finanzdienstleister existieren will.

[1] Verena Kast in „Trauern“

[2] Emotion anderer nachempfinden

[3] vgl. „Gesteuerte Vermögensübertragung – Erfolgreiche Nachfolgeplanung und deren Umsetzung durch Banken und Sparkasse, Seite 367